Simulationswissenschaft & Leitbild
Simulationswissenschaft & Leitbild
Simulationswissenschaft
In fast allen Bereichen von Wissenschaft und Technik spielt die Simulation auf dem Computer, d.h. die Nach- oder Vorausberechnung von Prozessen, Ereignissen und Eigenschaften, eine wachsende Rolle. In manchen Bereichen ist man inzwischen vollständig von derartigen Techniken abhängig, z.B. bei der kurz- und langfristigen Vorhersage der Wetter- und Klimaentwicklung. Aber auch in der Automobilindustrie wurden unlängst euphorisch das Ende der klassischen Prototypen und der Beginn der auf Simulation basierenden virtuellen Produktentwicklung angekündigt. In den Materialwissenschaften werden neue Materialien und Verbindungen mit gewünschten Eigenschaften am Rechner entwickelt, was mit dem Schlagwort Computational Materials Design beschrieben wird.
Mit welchen Methoden und welcher Zielsetzung auch immer simuliert wird; die Simulation mit dem Computer ist inzwischen zu einem festen Bestandteil der Arbeitsweise in vielen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Instituten, in Industriebetrieben und Behörden geworden. Das Spektrum der Tätigkeiten reicht dabei von der Anwendung kommerziell verfügbarer Simulationspakete bis hin zur Entwicklung von neuen Methoden und leistungsfähiger Software für spezifische Probleme.
Die Simulationswissenschaft ist wie kaum ein anderes Wissenschaftsgebiet auf Beiträge aus sehr unterschiedlichen Fachdisziplinen angewiesen. Arbeitsweisen aus der Mathematik, der Informatik, sowie den Natur- und Ingenieurwissenschaften werden eng verzahnt und begründen den interdisziplinären Charakter des Gebiets – häufig wird das Arbeitsgebiet Simulation auch als Musterbeispiel für transdisziplinäres Arbeiten betrachtet. Es umfasst dabei sowohl spezifische, auf bestimmte Anwendungsfelder bezogene Arbeiten, als auch stärker methodisch orientierte Querschnitts- und Grundlagenarbeiten.
Leitbild
Die Simulation ist eine Vorgehensweise überwiegend zur Analyse dynamischer Systeme. Bei der Simulation werden Experimente an einem Modell durchgeführt, um Erkenntnisse über das reale System zu gewinnen. Das Simulationsmodell ist eine Abstraktion des realen Systems, in dem dessen Eigenschaften (Struktur, Funktion, Verhalten) reproduziert werden. Simulationen werden dann eingesetzt, wenn Versuche am Original technisch nicht möglich sind oder sich aus wirtschaftlichen, ethischen oder sicherheitstechnischen Überlegungen verbieten. Beispiele sind die Crashsimulation, Windkanalsimulation oder Unternehmenssimulation.
Die Vorausberechnung technischer oder natürlicher Prozesse, kurz rechnerische Simulation oder Computersimulation, hat eine immense Bedeutung für zahlreiche Schlüsselbereiche der Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft erlangt. Als Beispiele seien die Fortschritte in der Luft- und Raumfahrt oder der Automobilindustrie genannt, welche ohne die Vorausberechnung komplexer Vorgänge nicht möglich gewesen wären. Auch im Bereich der Grundlagenforschung liefern numerische Simulationen wertvolle Informationen, beispielsweise dann, wenn experimentelle Untersuchungsmethoden nicht eingesetzt werden können. Als Schwerpunkte seien die Klima- und Erdsystemforschung, Nanostrukturphysik, Festkörperphysik, Astrophysik, Quantenchromodynamik, Materialforschung, theoretische Chemie, Molekulardynamik, Soft Matter oder Biophysik genannt.
Während Simulation im Allgemeinen durchaus eine experimentelle Vorgehensweise zum Gegenstand haben kann, liegt der Fokus des vorliegenden Forschungsverbundes vorrangig auf der Computersimulation, die ein wichtiges Teilgebiet der Simulation darstellt. Hier werden die dynamischen Systeme durch geeignete mathematische Modelle abgebildet und mittels Rechner symbolisch oder numerisch gelöst.
Disziplinarität, Interdisziplinarität und Transdisziplinarität
Die Simulationswissenschaft ist wie kaum ein anderes Wissenschaftsgebiet auf Beiträge aus sehr verschiedenen Fachdisziplinen angewiesen. Diese entstammen nicht nur aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften sondern auch aus den Lebens-, Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches und nachhaltiges Zusammenwirken von Wissenschaftlern dieser Gruppen ist es, dass im Sinne eines inter- bzw. transdisziplinären Vorgehens eine gemeinsame konzeptionelle Rahmenstruktur aufgebaut wird und dass gemeinsame Lösungsstrategien erarbeitet werden. Ein reines multidisziplinäres "nebeneinander planen - nebeneinander handeln" kann nicht im Sinne eines solchen Verbundes sein. Letzteres würde erfordern, dass Teilaspekte der zu lösenden Probleme vergleichsweise klar abgegrenzt und den beteiligten Disziplinen zugeordnet werden können. Dies ist im Bereich der Simulation sicherlich nicht der Fall.
Versteht man unter Transdisziplinarität weiterhin ein wissenschaftliches Vorgehen, das wissenschaftliches Wissen und Praxis verbindet, so erfordert dies im vorliegenden Fall eine Einbindung industrieller Partner bzw. anderer Institutionen um auf Wissen von Praxisbeteiligten zurückgreifen zu können.
Aufgaben des Zentrums
Die Besonderheit des Simulationswissenschaftlichen Zentrums Clausthal - Göttingen liegt in der komplementären Aufstellung der beiden Universitäten, so dass hier das gesamte Spektrum von simulationstechnischen Anwendungen in Wirtschaft, Technik, Naturwissenschaft und Life Science erfasst und bedient werden kann. Aufgrund dieser Konzentration kann das Zentrum nicht nur als Dienstleister für die Industrie sondern auch als Nukleus für spätere Exzellenzinitiativen fungieren.
Gemeinsame Forschungsprojekte
Gerade mittelständische und regionale Unternehmen können sich nur sehr produktnahe Forschung leisten. Auch die größeren Unternehmen haben im Rahmen der Effizienzsteigerung ihre langfristige Forschung eingeschränkt. Auf der anderen Seite wurden jedoch an den Universitäten keine entsprechenden Ressourcen aufgestockt, was mittelfristig zwangsläufig zu einem Engpass im Innovationsprozess führen wird.
Das Simulationswissenschaftliche Zentrum Clausthal-Göttingen soll diese Lücke teilweise schließen. Es sieht sich damit in der Rolle einer gemeinsamen Forschungsabteilung der deutschen Industrie und stärkt dadurch die Wirtschaftskraft der Region. Das SWZ agiert als zentraler Ansprechpartner und Drehscheibe, um geeignete Partner für gemeinsame Forschungsprojekte zusammenzubringen. Die Unternehmen profitieren von entwickelten Kompetenzen der Universitäten und können ihre Wissensbasis besonders im prekompetitiven Bereich gezielt und dennoch finanziell überschaubar erweitern. Die Universitäten profitieren auf der anderen Seite von neuen wissenschaftlichen Fragestellungen aus der Industrie und von der finanzieller Förderung der Forschung. Darüber hinaus erhält der wissenschaftliche Nachwuchs frühzeitig einen Einblick in industrielle Prozesse und deren Herausforderungen.